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woensdag 14 december 2011

Tierschutz-Weltbild kaputt!

Tom, mein Sohn, ist zurück von einem zwei-wöchentlichen Aufenthalt in Athen. Er war dort um Konflikte zwischen Menschen zu fotografieren: Proteste und Krawallen. Da er schon lange bei uns in der Pension arbeitet, lag sein Fokus automatisch auch woanders. Beim 4-beinigen Athener, beim Strassenhund.


Hör mal, sagt er mit leuchtenden Augen, es sind SO viele! Und sie haben es SO gut! Jeder liebt sie, sie werden verwöhnt. Sie liegen überall faul herum, und die meisten sind, na ja, vielleicht nicht echt dick, aber doch ganz schön mollig. Und so entspannt!


Ich denk ich hör nicht richtig. Moment mal, Griechenland, da kommen doch unsere armen geretteten Hunde her? Wie reimt sich das?


Mein Sohn erzählt weiter. Weißt Du, sagt er, die Hunde dort betteln überhaupt nicht. So wie unsere hier betteln, aufdringlich dasitzen und starren und immer ein Stück näher rücken und man sie echt wegschicken muss? Dort kommt ein Hund vielleicht mal gucken, aber wenn er merkt, dass Du ihm nichts geben willst, geht er halt wieder weg.


Ich sehe mich abends vorm Fernseher sitzen, 8 paar Augen strack auf mich gerichtet, telepathische Mitteilungen summen mir so eindringlich um die Ohren, dass ich den Fernseher lauter stellen muss. „ICH. Wie viel Aufmerksamkeit habe ICH heute von dir bekommen? Werde ICH hier auch mal geliebt? Werde ICH dich gleich noch lieben?“ Mal acht. Su-per Feierabend. Essen schmeckt nicht mehr. Essen reicht nicht für 1 + 8. Halbvollen Teller auf den Schrank stellen. Seufz.


Sie haben auch den ganzen Tag Beschäftigung, erzählt mein Sohn weiter. Sie laufen gerne ein Stück mit Menschen mit, zum Beispiel. Wenn sie dann an eine Ampel kommen, bleiben sie mit den Menschen stehen bis die Ampel grün wird und laufen weiter wenn die Menschen in Bewegung kommen. Er hat aber auch gesehen, dass Hunde ganz ohne Menschen bei roter Ampel stehen bleiben und die Strasse erst überqueren wenn grün ist! WOW.

Eine andere geliebte Beschäftigung ist: ein Grüppchen formen und Mopedfahrer ärgern. Das Moped wird abgestoppt und muss erst mal warten. Ab und zu probiert der Mopedfahrer ob er schon weiter darf: nöh. Noch nicht. Keiner wird echt sauer, es ist doof aber man wartet halt. Die Hunde warten darauf, dass der Fahrer probiert weg zu schiessen, das wäre natürlich ne super Jagdaktion. Sie beissen dann auch schon mal in Waden.

Meter für Meter arbeitet der Mopedfahrer sich voran, bis er aus der „Kontrollzone“ ist und weiterfahren kann, worauf die Hunde sich freudig auf das nächste Moped richten.


Solche Aktionen werden hier schwer bestraft. Mit Leinenzwang und Maulkorb, und Hundetraining-Hirnwäsche, bis diese ungesunden Neigungen unterdrückt sind...


Tom sah nirgendwo Hundekot liegen in der Stadt, trotz der Vielzahl Hunde. Er hat nicht herausgefunden ob es aufgeräumt wird oder ob die Hunde woanders „machen“ – es viel ihm aber auf, vor allem weil er Athen ansonsten eine sehr dreckige Stadt fand. Den einzigen Kot den er fand war Menschenkot, in großen Mengen, dort wo Junkies auf der Strasse leben...


Es gibt natürlich auch Haushunde in Athen. Eine schöne Beschäftigung für diese kann sein, mit den Strassenhunden zu spielen, denn die sind sehr sozial.


Die super-mega-gaudi-Beschäftigung sind die Proteste und Krawallen, die in Athen beinah täglich stattfinden. Tom wusste nicht immer, wo genau was los sein würde. Da brauchte er dann nur den Strassenhunden zu folgen, denn die lieben Krawallen und ein großer Teil ist immer dabei. Voran natürlich Loukanikos („Würstchen“), der berühmteste Hund von Athen, der immer dabei ist und immer auf der Seite der Demonstranten. Wenn irgendwas explodiert ist rennt er hin und packt das Ding und schüttelt es und schleudert es durch die Luft. Tom sah aber auch, dass als es zu schlimm wurde mit dem Tränengas und den Molotovcocktails, irgend jemand Loukanikos anleinte und mit in ein Haus nahm. Denn Loukanikos trägt, wie die meisten Strassenhunde, ein Halsband. Mit Marken. Daran kann man sehen: dieser Hund ist kastriert, ist ein Rüde (rote Marke) oder eine Hündin (blaue Marke) und gehört „der Stadt“. Das bedeutet aber nicht, dass eine Instanz der Gemeinde sich darum kümmert. „Stadt“ bedeutet: er gehört niemand, sondern den Menschen der Stadt, jemand kümmert sich und füttert ihn.


Ist das nicht der super Tierschutz?! Die Hunde sind akzeptiert, man sieht sie gerne, man verwöhnt sie. Ein paar Unartigkeiten werden ihnen grosszügig verziehen. Im Gegenzug verhalten sich die Hunde nicht zu störend und sind sehr entspannt. Sie geniessen die grösstmögliche Freiheit und haben menschlichen Kontakt. Mein Weltbild vom Tierschutz fällt gerade auseinander.


Natürlich ist es nachdrücklich nicht überall so. Wie hier z.B. in ländlichen Gebieten auch anders mit Hunden umgegangen wird und Zwingerhaltung nicht selten ist.

Aber wenn so etwas in einer Stadt eines Landes möglich ist, müsste das doch übertragen werden können? Vielleicht wäre es sinnvoller, Geld und Energie darin zu stecken, statt die Hunde hierher zu holen und so zu retten?


Natürlich wird es auch mal einem Hund schlecht gehen, wird er nicht rechtzeitig beim Tierarzt landen oder könnte er überfahren werden. Das aber verglichen mit einem Leben hier an der Leine (Angst, Jagdtrieb), oder mit den unzähligen Fällen von „geretteten“ Hunden die hier kurz nach Ankunft aus dem Halsband oder aus der Tür entkommen und desorientiert irgendwo herumirren, überfahren werden oder einfach nie wieder gefunden werden....hm.


Auf jeden Fall weiss ich, wo mich mein nächster Urlaub hin führt. Das muss ich sehen. Sehr interessant fände ich dann zum Beispiel auch die Frage welche Rassetypen man dort am meisten (oder am wenigsten!) sieht. Denn Sozialkompetenz ist ja die Eigenschaft welche die meisten von uns am wichtigsten finden für unsere Hunde.

Interessant finde ich übrigens auch schon die Feststellung, dass keine Rassenhunde dabei sind bei dieser Vielzahl Hunde die es hinbekommt, so unkompliziert mit dem Menschen zusammen zu leben – frei, akzeptiert, versorgt, mitten in einer Großstadt...

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